Monika Lamers – Vom Geschlecht der Engel und anderen Kalamitäten
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»Vom Geschlecht der Engel und anderen Kalamitäten« versammelt neun Erzählungen einer verdichteten Wirklichkeit, die die Leserin, den Leser immer wieder überrascht und ihr und ihm die Augen öffnet für Menschliches-Allzumenschliches, das bei Monika Lamers fast immer ein gutes Ende findet.
Hauptsächlich deshalb wage ich nicht zu sagen, welchen Geschlechts er war, oder sie. Meine Sprache bietet mir nur diese zwei Möglichkeiten, sie hat kein Wort für ein anderes Geschlecht, das Geschlecht der Engel, denn sie kennt diese Seinserfahrung nicht.
Rezension über »Monika Lamers, Vom Geschlecht der Engel« von Benedikt Maria Trappen
Ein Kindheitserlebnis vom beinahe ertränkt werden, einer wortkargen Großmutter, die das verschreckte Enkelkind aus der Kur abholt und in den Heilschlaf wärmt und ein Heiltraum, 30 Jahre später, in dem ein Engel sicher über das Wasser zum rettenden Ufer führt. Eine Phantasie über einen außerordentlichen Schmuckfund des die Tagträumende überlebenden Mannes, der zunächst Misstrauen und Eifersucht weckt, dann aber eine überraschende Wendung erfährt, die der Tagträumenden zugleich einen Hinweis auf eine winzige Änderung des geplanten Szenarios gibt. Toynbees „Aufstieg und Fall der Kulturen“ als Versteck für Geld und letzten Willen vor einer riskanten Herzoperation, zugleich Sprechanlass über die Sinn und Zweckhaftigkeit der Geschichte und die Christus Utopie, aber auch Brücke über die Sprachlosigkeit familiärer Bindungen.
Drei Beispiele für die dem Alltag verdankten, sorgsam gravierten neun sprachlichen Miniaturen, die Monika Lamers in diesem dünnen Bändchen neuer Erzählungen vorliegt, in denen der Tod näher, gegenwärtiger und Abschiednehmen und Aufbruch die Grundstimmung ist. Immer wieder ist es die Phantasie, die sich am Unscheinbaren, zufällig Beobachteten entzündet und Geschichten erträumt, sich dabei selbst über die Schulter blickt, sich durchschaut und das alte Spiel in Heiterkeit auflöst. Nietzsches Orte tauchen auf, Schubert, und aus Alltäglichem und tagespolitischen Phrasen steigt kurz der Anflug eines Traumes von einem vielleicht doch möglichen anderen Leben, in dem Begegnung und Liebe anders glücken und der doch unerfüllt bleibt und nüchterner Weltsicht weicht. Monika Lamers erzählt von Reisen in die Vergangenheit, von Erinnerung an Liebe und Eifersucht, von erträumter Wiederbegegnung, der Hoffnung auf einen endlich glückenden anderen Anfang und dem Schieitern dieser Hoffnung an der Realität des Todes. Traum und Wirklichkeit gehen dabei in einander über, geheimnisvoll scheinen Diesseits und Jenseits, einst und jetzt mit einander verwoben. Sehnsucht, Alter, Erinnerung, Schlaf, Traum, Tod, Heilung. Monika Lamers Sprache wird angesichts dieser Themen transparent, verweisend, ahnend, schließt mit dem Alltäglichen das Schweigen und das Unsagbare ein. Während spärliche Pinselstriche sorgsam Bild um Bild entstehen lassen, spürt der Leser im Hintergrund eine lichte Ruhe, die vom Irdischen schon fast nicht mehr berührt wird, die fast alles schon hinter sich hat und dem vor ihr Liegenden gelassen und gefasst entgegengeht.